Gab es Alltag und Normalität im Krieg? Die Frage, die sich schon für die Zivilbevölkerung stellt, ist umso mehr im Blick auf Zwangsarbeiter aufzuwerfen. Tausende Arbeiter aus verschiedenen europäischen Staaten mussten im Krieg für Henschel arbeiten. Wie lebten sie, wie wurden sie behandelt, wie wurden sie ernährt, wie verbrachten sie ihre Freizeit? Das Gebäude K19, im nördlichen Bereich des Henschelwerkes gelegen, gibt Anlass, darüber nachzudenken.
Es wurde in den Jahren 1911 bis 1913 erbaut, direkt angrenzend an die Werkshalle K18 und einen der Verladung dienenden Bockkran. Die an dem Gebäude entlang führenden Gleise dienten dem Abtransport. Innerhalb des Gebäudekomplexes befand sich auch die Kraftwagen-Instandsetzung mit mehreren Wartungsgruben und einem Gleis. Im letzten Kriegsjahr nutzte man das K19 als Kraftwagen-Garage, vor der Halle befand sich eine Tankvorrichtung.Heute steht der noch erhaltene Teil des K19 unter Denkmalschutz. Geschützt wird damit ein Gebäude, aber weniger wegen seines bauhistorischen Wertes als vielmehr wegen der Geschichte, die es bündelt, und diese Geschichte ist durch Produktions- und Verladezahlen nicht hinreichend zu beschreiben. Dazu gehört eben auch der Alltag der Menschen, die dort arbeiten mussten, beispielsweise Waggons beluden, und die fern ihrer Heimat nicht nur überleben, sondern auch ihre Hoffnung bewahren wollten.
Erinnerungen und Zeitzeugenberichte ehemaliger Zwangsarbeiter geben Aufschluss über die Bedingungen: über zehn- bis zwölfstündige Arbeitstage - und das siebenmal in der Woche -, über miserable Ernährung, über alltägliche Drangsalierung durch Aufseher, aber auch über die Empfindungen derer, die dies erlitten, über Angst und Verzweiflung, Hoffnung und Mut.