Wie war der deutsche Expansionskrieg im Osten möglich? Wer half dabei, wer sorgte für Infrastruktur und Ausrüstung, wie wurde aus ziviler Produktion militärische? Gibt es "unschuldige" Produktion in einem Krieg? Diese Fragen stellen sich im Blick auf das K9. Es wurde von 1903 bis 1905 erbaut und bildete in dieser Wachstumsphase der Henschelei am Holländischen Platz das größte Bauwerk. Mit einer Fläche von 21.000 Quadratmetern bot es Platz für die Montage von Lokomotiven. Am 3. Juli 1941 feierte die Firma Henschel & Sohn bereits die Fertigstellung der 25.000. Lokomotive. Nach dem Krieg wurde sie in die USA verschifft.
Die Lokomotiven, so könnte man annehmen, waren politisch gewissermaßen neutral, sie dienten beiden Seiten im Krieg. Aber ohne die Lokomotiven hätte man keine Soldaten an die Front bringen, keine Zwangsarbeiter in den Westen holen, keine Juden in den Osten deportieren können.
Das K9 überstand die Bombenangriffe der Alliierten, die Kassel ab 1940, das Henschel-Werk ab 1942 und das Gebäude selbst 1944 erreichten, weitgehend unbeschadet. Erst Ende der 1950er Jahre gab man die Produktion hier auf und verlagerte sie in das Werk Mittelfeld, in den 1960er Jahren diente die Montagehalle der Omnibus-Auslieferung. 1979 wurde sie abgerissen. Heute befinden sich auf dem Gelände der ehemaligen Werkshalle die Hörsäle 1-5, die Gebäude der Fachbereiche Wirtschaftswissenschaften, Humanwissenschaften und Gesellschaftswissenschaften sowie die Universitätsbibliothek. Die Geschichte scheint darunter verschüttet. Gerade deshalb soll der Erinnerungsweg darauf hinweisen, was hier einst produziert wurde – für den Frieden ebenso wie für den Krieg.